Griechische Inseln

Festos, ein Palast auf Kreta

Es gibt gleich eine ganze Reihe von guten Gründen, warum Urlauber auf Kreta unbedingt versuchen sollten, die Ruinen des gut 5000 Jahre alten Palastes von Festos (Phaistos/Phaestos) an der zentralen Südküste der Insel zu besuchen und zu besichtigen. Die mit knapp 8500 m² zweitgrößte Palastanlage der Minoer auf Kreta wurde Zeit ihres Bestehens vor allem wegen Erdbebenschäden mehrfach erneuert und erweitert. Heute kann sie wie ein archäologisches Tagebuch der jeweiligen Stilepochen gelesen werden. Das imposante Areal befindet sich auch landschaftlich in sehr reizvoller Umgebung. Im Osten thront majestätisch das Dikti-Gebirge, im Norden das über 2.000 Meter hohe Psiloritis-Massiv bzw. Idagebirge und im Süden hat man fantastische Fernsicht auf die landwirtschaftlich intensiv genutzte Messara-Ebene beiderseits des Flusses Geropotamos.

Südlich und unweit von dessen Mündung nahe der kleinen Stadt Tymbaki liegt Festos in perfekter strategischer Lage auf einem Hochrücken oberhalb der fruchtbarsten Ebene auf Kreta. Bis ca. 3500 Jahren vor Beginn unserer Zeitrechnung lag die Siedlung der Minoer jedoch direkt am Meer. Anlandungsprozesse ließen die Stadt über die Zeit gewissermaßen landeinwärts wandern. Nur zwei Kilometer nordwestlich gab es einst eine zweite minoische Siedlung, das etwas kleinere Agia Triada. Ein gepflasterter Pfad verband beide Städte seinerzeit, ab ca. 1900 begannen die Ausgrabungen unter italienischer Regie, welche bis heute andauern. Ebenfalls minoisch ist der frühere Hafen der beiden Siedlungen, anders als Festos und Agia Triada wird Kommos jedoch erst ab den 1920er Jahren erforscht und ist bis heute aufgrund andauernder Erhaltungs- und Schutzarbeiten für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Festos (Phaistos/Phaestos) jedoch empfängt das ganze Jahr über Publikum, die geringen Gebühren für die Besichtigung der Palastanlagen betragen zwischen ca. 2 und 6 Euro. An Sonntagen zwischen November und März sowie an manchen nationalen und internationalen Aktions- und Gedenktagen wird sogar gratis Eintritt gewährt. Auch für Minderjährige unter 18, Schüler, Lehrer und Begleitpersonen bei Klassenfahrten, Journalisten, Studenten, Staatsgäste und offizielle Touristenführer sowie für Rentner aus EU-Staaten und Menschen mit Behinderungen und deren Begleiter ist der Besuch kostenfrei. Die Anlage gilt trotz ihrer Bekanntheit auch immer noch ein wenig als kleiner Geheimtipp für die Architektur und Kultur der Minoer auf Kreta. Anders als im ungemein stärker von Touristen aufgesuchten Knossos kann man hier sogar in der sommerlichen Hauptsaison alles fast alleine bewundern, wenn man etwa früh morgens oder ein bis zwei Stunden vor der abendlichen Schließung kommt.

Obwohl der Ursprung der Anlage wissenschaftlich übereinstimmend und eindeutig als minoisch klassifiziert ist, fand man vor Ort auch zahlreiche Artefakte und Bauten anderer Epochen. Als wichtigstes Beispiel hierfür gilt der sog. Rhea-Tempel späterer griechischer Herkunft. Archäologisch bedeutsamer sind allerdings die aus der „Altpalastzeit" um 1900 bis 1700 vor Christus und der anschließenden „Neupalastzeit" von 1700 bis 1430 vor Christus stammenden baulichen Überreste. Sehr gut erhalten und originalgetreu rekonstruiert sind beispielsweise der Treppenaufgang, der Zentralhof, das Gemach der Königin und der Westhof mit dem Theater. Das mit Abstand berühmteste Fundstück aus Festos ist jedoch der im Jahr 1908 im Nordosttrakts des Altpalasts entdeckte Diskos von Phaistos. Die aus gebranntem Ton gefertigte und mit spiralförmigen Motiven und Hieroglyphen versehene Scheibe aus der Bronzezeit gilt als das historisch erste Beispiel für den Druck mit beweglichen und wiederverwendbaren Lettern. Das Exponat befindet sich im Archäologischen Museums von Iraklio auf Kreta.

Die Minoer haben den neuen Palast in Festos nach heutigem Kenntnisstand vor allem als kulturelles und ökonomisches Zentrum genutzt, während der weitaus luxuriösere neue Palast von Agia Triada ab ca. 1.600 vor Christus aller Wahrscheinlichkeit nach eher als Herrschaftssitz diente. Typisch minoisch ist auch die Nord-Süd-Ausrichtung des Palastes, so befanden sich die Gemächer des Königs im Norden, diejenigen der Königin im Süden des Gebäudes. Eine wichtige und vermutliche religiöse Rolle für die Minoer haben auch die zahlreichen Säulen gespielt, zumindest lässt sich deren große Anzahl nicht alleine aus statischen Gründen erklären. Der Westflügel des neuen Palastes diente wohl ebenfalls primär sakralen und zeremoniellen Zwecken, dafür sprechen die beiden dort befindlichen Wasserbecken, die verschwenderisch mit Statuen und Steinfiguren geschmückt waren. Im Ostflügel waren dahin gegen vorrangig die Räumlichkeiten für die Unterkünfte und die Verwaltung der gesamten Anlage untergebracht.

Das Ende der Herrschaft für die Gegend unter dem Prädikat minoisch kam durch das Feuer, ein wahrscheinlich durch Kriegshandlungen bedingter Brand um das Jahr 1450 zerstörte den Palast vollständig. Aus der Zeit wischen 1000 und 750 vor Christus ist über Phaistos wenig bekannt, danach konnte man teilweise wieder an den alten Glanz anschließen und sich als mächtige Stadt in der Region neu etablieren. In der klassischen und hellenistischen Zeit vom vierten bis zum zweiten Jahrhundert vor Beginn unserer Zeitrechnung war Phaistos der respektierte Sitz eines Städtebundes, dann folgte jedoch die Eroberung durch die Nachbarstadt Gortyn, der späteren Hauptstadt Kretas in römischer Zeit. Gortyn ist ebenfalls ein für Archäologiefreunde sehr zu empfehlendes Ausflugsziel in der näheren Umgebung. Zu sehen bekommt man dort etwa die Titusbasilika aus dem 6. Jahrhundert, das römische Odeion und einen Apollontempel sowie vor allem die weltberühmte „Große Inschrift von Gortyn" aus dem 5. vorchristlichen Jahrhundert, die in Fachkreisen als ältester Gesetzeskodex in Europa angesehen wird.

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