Spinalonga, eine Insel bei Kreta
Gerade einmal 85 Hektar misst die fast baumlose und heute unbewohnte Insel Spinalonga (Kalydon) im westlichen Golf von Mirabello unmittelbar vor der Nordostküste Kretas. Administrativ aktuell ein Teil Gemeinde Agios Nikolaos, diente sie schon in der Antike als Festung zum Schutz der einst bedeutenden Hafenstadt Olous, der heutigen Ortschaft Elounda mit ihren knapp 2.200 Einwohnern gegenüber von Spinalonga.
Eiland unter Einfluss der Epochen: Hafenfestung, Leprakolonie, Filmschauplatz
Durch Angriffe arabischer Piraten zwischen dem 7. und 15. Jahrhundert nahezu vollständig verwaist, soll dem Kartografen Vincenzo Coronelli zufolge die Insel erst zu Zeiten der venezianischen Herrschaft ab dem 16. Jahrhundert entstanden sein, als sie durch Grabungen vom nahen Festland abgetrennt wurde. Der venezianische Name „spina lunga“ (langer Dorn) ist lediglich eine Verballhornung des griechischen „stin Elounda“ (nach Elounda).
Die Insel sollte eigentlich uneinnehmbar sein,
wurde aber dann doch erobert
Kreta Spinalonga Mirabello bay - © AntonChigarev / Fotolia.comAb 1578 wurde der Baumeister Genese Bressani mit der Errichtung der Festungsanlagen beauftragt, er ließ im Norden und Süden der Insel Schutzbauten sowie einen Festungsring entlang der gesamten Küste erbauen. 1584 wurden unter dem Eindruck der Angriffe von den höheren Hügeln auf dem Festland weitere Befestigungen in der Inselmitte errichtet. Damit wurde Spinalonga eine fast unschlagbare Seefestung vor Kreta und eine der wichtigsten ihrer Art im gesamten Mittelmeerraum. Sogar noch nach dem Ende des kretischen Krieges von 1645 bis 1669 und dem folgenden Beginn der Ottomanenherrschaft über Kreta verblieb Spinalonga gemeinsam mit Gramvousa und Souda bis 1715 im Machtbereich der Republik Venedig. Mit der Niederlage im Venezianisch-Österreichischen Türkenkrieg wurde Spinalonga schließlich doch osmanisch, erst nach der kretischen Revolte von 1866 bis 1869 sowie der folgenden Unabhängigkeit auf Kreta 1898 verließen die letzten moslemischen Familien bis 1903 das kleine Eiland.
Wo über Jahrzehnte nur Kranke lebten, flanieren und spazieren heute die Touristen
Kreta Spinalonga Innenansicht - © AntonChigarev / Fotolia.comDie erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war Spinalonga dann eine für die Öffentlichkeit weitgehend nicht zugängliche Leprakolonie mit zeitweise mehr als 1000 internierten Kranken aus ganz Kreta, erst 1957 wurde sie als eine der letzten europäischen Quarantänestationen geschlossen. Der morbide Charme der verlassenen Wohnhäuser und des Krankenhauses lockt bis heute täglich Hunderte von Touristen für einen Tagesbesuch von Kreta aus auf die Insel, die man auch gut auf dem ca. 1,5 Kilometer langen Rundweg per pedes erkunden kann. In manchen der teilweise sanierten Gebäude sind Fotoausstellungen und das Informationsbüro zur bewegten Vergangenheit des Ortes untergebracht. Beeindruckend wie der weitläufige Friedhof und das weitverzweigte Wassersystem sind natürlich auch die Überreste des damaligen venezianischen Forts auf der erhöhten Inselmitte, von hier aus hat man eine fantastische Fernsicht auf die gesamte Umgebung.
Ein besonderes Fleckchen Erde, wie gemacht für Film, Fernsehen und Fantasie
Angesichts der umfangreichen, über die Jahrhunderte stetig gewachsenen und vor allem authentisch verwitterten historischen Bausubstanz auf Spinalonga verwundert es auch nur wenig, dass die Insel ab den späten 1960er Jahren auch immer wieder als Drehort und Schauplatz von Filmaufnahmen ausgewählt wurde. So wurden hier Szenen des deutschen Kurzfilms „Letzte Worte“ (1968), der britischen Fernsehserie „Who Pays the Ferryman?“ (1977) und der griechischen TV-Produktion „To Nisi“ (2010) gedreht. Spinalonga diente auch den beiden Büchern „Free Love and Other Stories“ von Ali Smith (1995) und „The Island“ von Victoria Hislop (2007) gewissermaßen als geografische Inspiration. Das letztgenannte Buch stellt dabei die literarische Vorlage für die oben erwähnte und sehr erfolgreiche Serie „To Nisi“ (Die Insel) dar, die mit ca. 4 Millionen Euro Herstellungskosten bis heute teuerste Produktion der griechischen Fernsehgeschichte.
Mit Fähren und Fischern für ein paar Stunden in die bewegte Vergangenheit reisen
Kreta Spinalonga Rundturm - © AntonChigarev / Fotolia.comHeute erreicht man die so geschichtsträchtige Insel von den nahen Küstenstädten Agios Nikolaos (10 Schiffe/Tag), Elounda (Fischerboote alle 30 Minuten/Tag) und Plaka (nach Absprache) auf Kreta problemlos und schnell mit Fähren und Fischerbooten. Am schnellsten gelangt man von Agios Nikolaos mit der direkten Fähre auf das Eiland. Allerdings ist der zulässige Aufenthalt dort mit lediglich 60 Minuten recht kurz, sodass man besser auf eine der organisierten Touren mit einer Verweildauer von 4 bis 5 Stunden, Mittagessen und englischer oder deutscher Führung zurückgreifen sollte. Von Elounda auf Kreta aus gelangt man in ca. 30 Minuten Fahrtzeit in Fischerbooten im Sommer tagsüber alle 30 Minuten für etwa 10 Euro hin und zurück, anders als mit den Fähren kann man so lange bleiben, wie man möchte. Mit nur 15 Minuten Fahrt noch kürzer ist die Passage von Plaka aus, dorthin fährt man entweder mit dem Mietwagen oder einem der Busse über Elounda.
Die Karte von Spinalonga